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Kapitel 13
Das Unglück bringt
Krankenhäuser bei Nacht sind so ziemlich das Deprimierendste, was man sich nur vorstellen kann, schoss es Felix durch den Kopf. Er saß auf einer Bank in dem hell erleuchteten Flur und wartete inzwischen seit Stunden. Meister Niklas war eben gerufen worden und noch nicht wieder zurückgekommen und so hatte Felix nichts anderes zu tun, als sich den Verlauf des gestrigen Abends noch einmal ins Gedächtnis zu rufen.
Er hatte nach dem Abendessen im Gemüsegarten gearbeitet, für den er inzwischen offiziell zuständig war. Es war schon dämmrig geworden, also hatte Felix die Tür des Hühnerstalls sorgfältig verriegelt, in den sich dessen Bewohner inzwischen alle verzogen hatten. Er musste innerlich dabei schmunzeln, auch wenn die Erinnerung daran, was mit dieser Tür verbunden war, seine Arme und Schultern fast wieder schmerzen ließ. Er hatte damals richtig Angst gehabt…
Felix war gerade wieder an der Tür im Wildzaun angekommen, als er Meister Niklas laute Stimme vom Haus her hörte.
“Felix!”
Und damit kam Meister Niklas auch schon auf ihn zu. Während Felix sich eilig hinkniete und die Hände hinter den Kopf nahm, schaute er unwillkürlich, ob über dem Haus vielleicht schon eine Rauchwolke stand, bevor er seinen Blick senkte. Niemand würde Meister Niklas je laufen sehen, aber sein eiliger Schritt und die Tatsache, dass er Felix beim Namen gerufen hatte, waren deutliche Zeichen dafür, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Schlimmer als vier fehlende Hühner. Viel schlimmer.
Meister Niklas nahm ihm ohne weitere Umstände die Handfesseln ab und sagte dann:
“Nimm Dir die Fußfesseln selber ab und komm mit.”
Damit hatte er sich umgedreht und wieder auf den Weg zum Haus gemacht. Felix beeilte sich, dem Befehl nachzukommen und sprintete dann hinter Meister Niklas her, den er gerade noch vor der Küchentür erreichte. Obwohl Felix natürlich unbedingt wissen wollte, was eigentlich los war, folgte er schweigend Meister Niklas durchs Haus. Der würde ihm klar und deutlich alles mitteilen, was er wissen musste und was er tun sollte.
Die Tatsache, dass er dies bis jetzt nicht getan hatte, zeigte Felix, dass Meister Niklas selber noch dabei war, seine Gedanken zu sortieren. Das alleine ließ ein mulmiges Gefühl in ihm aufsteigen. Meister Niklas war die letzte Instanz, sein Wort war Gesetz. Wenn er noch darüber nachdenken musste, wie er das offenbar bestehende Problem lösen wollte, dann musste es schlimm stehen.
Sie kamen an Meister Niklas Zimmer im ersten Stock. Es war deutlich größer als alle anderen, wie es Meister Niklas auch zustand. Felix war erst einige wenige Male hier gewesen, dieses Zimmer betrat man nur auf eindeutigen Befehl des Meisters. Daher war Felix ganz selbstverständlich an der Tür stehen geblieben, konnte aber von dort aus schon erfassen, was los war.
Auf Meister Niklas großem Bett mit seinem Stahlgestell lag Meister Fabian und man musste nicht Medizin studiert haben um zu sehen, dass es ihm nicht gut ging. Auf seinem Gesicht standen Schweißtropfen und seine Augen waren halb geschlossen.
Jemand hatte die Bettdecke über ihn geworfen, man konnte aber sehen, dass er zusammengekrümmt auf der Seite lag und ganz offenbar Schmerzen hatte. Meister Fabians Gesicht hatte auch eine ganz eigenartige, ungesunde Farbe. Felix Magen zog sich zusammen. Das hier war ernst.
“Hilf mir, ihn anzuziehen. Er muss in ein Krankenhaus, und schnell.”
Das war ziemlich offensichtlich, aber der Rettungswagen würde eine halbe Ewigkeit brauchen, um bis zu ihnen zu kommen — wenn er den Hof überhaupt fand. Felix musste keine Sekunde nachdenken:
“Ich fahre Euch, Meister Niklas.”
Ihre Blicke trafen sich. Für Felix war das Angebot ganz selbstverständlich gewesen, aber für Meister Niklas sah die Sache anders aus. Der große Pick-Up, der unweit vom Hof unter seiner Plane parkte, war Teil der “anderen” Welt. Dort konnte er keine Befehle erteilen, zumal der Wagen ja ein Firmenfahrzeug dünyanın en güvenilir bahis siteleri war und damit auch Felix nicht wirklich gehörte. Sein Herr Elias hätte ohne zu zögern einfach um Felix Hilfe gebeten, aber Meister Niklas konnte das nicht. Seine Persönlichkeit war nicht dazu gemacht, Bitte zu sagen. Oder Danke.
Elias hatte ihm erzählt, dass Meister Niklas für Notfälle wie diesen ein Handy mit PrePaid-Karte hatte, aber Mobilfunk-Empfang gab es natürlich hier im Wald nicht, man musste also ein gutes Stück laufen, bevor man überhaupt versuchen konnte, einen Notruf abzusetzen. Felix sah das Gerät auch nirgendwo. Meister Niklas hatte also die Chancen mit dem Rettungswagen ähnlich düster eingeschätzt, es gar nicht erst versucht und auf Felix Angebot gehofft. Sein Gesicht zeigte deutlich, wie sehr ihm die Situation weh tat.
Er nickte nur einmal kurz und Felix spurtete los, als wäre das Nicken der Startschuss zum Hundertmeterlauf gewesen. Natürlich nicht zum Auto — Meister Niklas hatte schließlich eine klare Anweisung gegeben. Der Schrank mit Meister Fabians “Zivilsachen” stand in einem Raum, den sie das Wäschezimmer nannten.
Es lag so wie Meister Niklas Zimmer im ersten Stock, Felix rannte links um die Ecke den Flur entlang und öffnete die Tür ganz am Ende. Er griff ein T-Shirt, Shorts und ein paar einfache Leinenschuhe aus Meister Fabians Spind, dann noch eine Unterhose, und rannte zurück.
Dort hatte sich Meister Niklas inzwischen ebenfalls zivilisationstauglich angezogen und schloss gerade den Gürtel seiner schon ziemlich verwaschenen Jeanshose. Felix stellte die Leinenschuhe vor das Bett und legte die restlichen Sachen griffbereit auf den Tisch, während Meister Niklas die Bettdecke wegzog und Meister Fabian im Bett aufsetzte. Der schien nicht mehr völlig bei Bewusstsein zu sein, jedenfalls versuchte Meister Niklas gar nicht, ihm Anweisungen zu geben, sondern hob einfach seine Arme hoch.
Also das T-Shirt zuerst. Felix faltete es auseinander, achtete darauf, dass er es richtig herum hielt, raffte dann mit beiden Händen den unteren Teil zusammen und stülpte es über Meister Fabians Arme.
Sie arbeiteten schweigend, bis nur noch die Schuhe fehlten.
“Geh zum Auto und zieh Dich an. Ich schreibe einen Zettel für Elias und komme dann mit Fabi nach.”
Elias war in der Stadt bei seinem Abendkurs — natürlich. Katastrophen haben nun mal die Angewohnheit, zum ungünstigsten Zeitpunkt einzutreten, dachte Felix. Aber das ließ sich nicht ändern. Felix war heilfroh, dass Meister Niklas da war. Seine klaren Anweisungen und die Art, wie er anscheinend mühelos Ordnung und Struktur in jedes Chaos brachte, waren unbezahlbar. Auch dass er immer genau zu wissen schien, wie detailliert er seine Anweisungen jeweils geben musste, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen.
Er hatte Felix jedenfalls nicht extra befehlen müssen, zuerst seinen Autoschlüssel zu holen, das wusste der schließlich ganz gut selber. Während bei Meister Niklas eine starke LED-Lampe mit Akku für Licht gesorgt hatte, war es in Elias Zimmer schon dunkel, aber Felix wusste auch ohne Licht, wo er den kleinen Slingbag fand, in dem er Schlüssel, Papiere und Geld aufbewahrte. Zum Wagen ging es wieder im Laufschritt, er wollte unbedingt startklar sein, wenn Meister Niklas ankam und er wusste genau, dass dieser auch keine Zeit verschwenden würde.
Felix löste die Plane von ihren Ankern, zog sie vom Auto und legte sie unter die großen Steine, die sie am Wegfliegen hindern sollten. Dann startete er den Motor, so konnten die Scheinwerfer Meister Niklas den Weg erleichtern, denn er würde Meister Fabian sicher tragen müssen.
Jetzt schnell die Sachen vom Fahrersitz nehmen und anziehen. Er hing sich gerade seinen Slingbag wieder über die Schulter, als er auch schon Meister Niklas Schritte hörte. Er öffnete die Tür zum Rücksitz, rannte dann auf die andere Wagenseite, öffnete dort ebenfalls die hintere yabancı bahis siteleri Tür und half Meister Niklas dabei, Meister Fabian auf die Rückbank zu legen. Meister Niklas stieg auf der Beifahrerseite auf die Rückbank und Felix sah, wie er den knallgelben Rucksack, den Notfallrucksack, zwischen seine Beine stellte.
Als Felix die Fahrertür hinter sich zugezogen hatte und den Sicherheitsgurt in sein Schloss drückte, hatte Meister Niklas schon aus einem Teil der Decke, die er sich für den Weg nur über die Schultern geworfen hatte, um den Körper des Jungen besser im Griff zu haben, ein Kopfkissen gemacht und Meister Fabian so bequem wie möglich hingelegt.
“Fahr los. Ich halte Fabi hier hinten schon fest.”
Das Stück Waldweg und den anschließenden Feldweg legten sie schweigend zurück. Felix konzentrierte sich darauf, dass der Wagen nicht zu sehr durchgeschüttelt wurde und Meister Niklas versuchte so gut es ging die Stöße, die natürlich trotzdem durchkamen, von Meister Fabian fernzuhalten. Als er auf die Straße abbog, fragte Felix mit Blick in den Rückspiegel:
“Die Uniklinik, Meister Niklas?”
“Zu weit. Wir müssen unser Glück mit dem Krankenhaus in der Stadt versuchen. Ich lotse Dich.”
“Nicht nötig, Meister Niklas. Das Navi kennt den Weg.”
Während Felix auf dem Touchscreen das Navi programmierte, gab er Meister Niklas in Gedanken recht. Die Uniklinik war groß und gut ausgestattet, wenn sie mit der Firma hier in der Gegend arbeiteten, war das ihre Adresse für Notfälle, aber es waren auch viele Kilometer und Meister Fabian stöhnte nicht einmal mehr. Am Ort war wohl mal ein kleines Krankenhaus gewesen, aber das hatte schon vor einiger Zeit geschlossen. Also auf in die nächste Stadt. Zwölf Kilometer, meinte das Navi.
“Pass auf, Felix, hier auf der Straße könnte uns gleich Elias zu Fuß entgegenkommen. Den einen über den Haufen fahren beim Versuch, den anderen zu retten, das kommt nicht so gut.”
Daran hatte Felix gar nicht gedacht. Er konzentrierte sich aufs Fahren und versuchte den Spagat zwischen Sicherheit und Geschwindigkeit hinzubekommen. Und dann gab es ja noch so was wie eine Straßenverkehrsordnung. Von der Polizei wollte er heute Abend bestimmt nicht angehalten werden.
So hatten sie das Krankenhaus erreicht, Meister Fabian in der Notaufnahme abgeliefert, wo sie einiges an Tätigkeit ausgelöst hatten, und warteten seitdem. Eben kam Meister Niklas wieder:
“Sie operieren. Die Geschichte wird knapp, viel später hätten wir wohl nicht sein dürfen.”
Damit ließ er sich neben Felix auf die Bank fallen. Nachdem sie eine Weile schweigend gesessen hatten, stand Felix auf, ging zunächst zum Auto, holte von dort zwei Windjacken mit Firmenlogo und auf dem Rückweg zwei Becher Kaffee aus dem Automaten. Er reichte Meister Niklas einen der Becher und legte ihm die Jacke über die Schultern.
Meister Niklas schien sich die Finger an dem Becher zu wärmen. Er blickte zu Felix auf und sagte:
“Fahr nach Hause, wenn Du willst. Es wird nicht besser davon, dass hier zwei Leute rumsitzen. Und Du musst morgen arbeiten.”
Felix schüttelte stumm den Kopf und setzte sich wieder hin. Meister Niklas mit Worten widersprechen konnte er nicht, selbst wenn der Meister es so optional formuliert hatte. Nachdem sie ihren Kaffee schweigend ausgetrunken und Felix die Becher im nächsten Papierkorb verstaut hatte, traute er sich zu fragen:
“Meister Niklas, ist Meister Fabian denn versichert?”
“Nein, jedenfalls nicht krankenversichert, darauf zielte wohl Deine Frage. Eine Unfallversicherung haben die Jungen natürlich, eine gute Unfallversicherung, die den Eskapaden, die wir schon mal machen, verständnisvoll gegenübersteht — oder jedenfalls nicht so genau nachfragt.”
“Für einen Fall wie diesen hier gibt es ein Konto mit entsprechender Deckung und eine Kreditkarte, die auf meinen Namen läuft. Außerdem von jedem eine Vorsorgevollmacht, notariell beglaubigt, weil ich ja illegal bahis siteleri kein Verwandter bin. Das hat sich heute Abend jedenfalls schon als richtig gute Idee erwiesen, Fabi war nämlich wirklich nicht mehr ansprechbar. Was glaubst Du denn, was hier in dem Rucksack drin ist: nichts als Dokumente und Formalitäten.”
Nach einer Pause sagte er leise:
“Sie wissen nicht, ob sie ihn wieder hinkriegen werden. Sie haben mich gefragt, was im Fall der Fälle sein Wille wäre.”
Meister Niklas öffnete den Rucksack und holte die silbrige Metallflasche heraus, die Felix schon kannte. Er hielt sie in beiden Händen. Die Hände zitterten derart, dass Felix sich fragte, ob er so überhaupt trinken könnte. Plötzlich durchfuhr ihn die Erkenntnis: Wenn er hätte trinken wollen, hätte er das eben unauffällig tun können, als Felix Kaffee geholt hatte. Hatte er aber nicht, Felix hätte es sonst gerochen.
Felix stand halb auf, hockte sich vor Meister Niklas hin und umfasste dessen zitternde Hände mit seinen. Lange Zeit verharrten sie so, bis das Zittern schließlich nachließ. Dann begann Meister Niklas zu sprechen:
“Ich schleppe die Bengel einmal im Jahr zum Arzt — und Du kannst Dir vorstellen, wie gern sie das tun. Ich rechne nächtelang Euros und Pfennige zusammen und fühle mich inzwischen wie ein verdammtes Finanzgenie, damit neben dem Haushaltsgeld, dem Gas für den Winter und dem ganzen anderen Mist noch Geld da ist für so einen Fall — und es ist da. Das wissen die Rotzlöffel auch alle. Ich habe es ihnen erklärt. Ich. Erklärt!”
“Und dann wartet Fabian — mein Fabi — mit was immer ihm da auch fehlt, so lange, bis er schon eine Blutvergiftung hat, bevor er zu mir kommt. Nein, Stopp, das stimmt nicht einmal. Julian war bei mir und hat ihn verpetzt.”
“Ich weiß natürlich genau, wo der Fehler liegt: bei mir. Die Jungen haben zu viel Angst vor mir, vor allem Fabi. Dabei ist er mir der Liebste von allen, das dürfen Julian und Leon gar nicht wissen. Ich weiß doch, dass er empfindlich ist, dass seine Grenzen niedrig liegen, aber ich habe sie nie überschritten. Hätte Julian damals mit dem Hühnerstall Fabi in die Pfanne gehauen statt Dich, dann wäre der so glimpflich weggekommen, dass wir heute keine Hühner mehr hätten. Du hättest nämlich am nächsten Tag die Tür extra aufgelassen, weil Du Fabis Strafe als Belohnung hättest haben wollen.”
“Es ist nicht einmal so, dass ich ihn zu etwas zwinge, was er nicht mag. Aber ich glaube inzwischen, er leidet mit den anderen mit, und die vertragen viel mehr als er. Das spielt sich alles natürlich in seinem Kopf ab, es wird also kein Stück besser, wenn er nicht dabei ist und zuhört oder zusieht.”
“Als Elias sich zu einem zweiten Meister entwickelte, war ich richtig froh. Ich habe gedacht, wir könnten die Sache so spielen wie guter Cop — böser Cop, oder besser noch wie Kapitän und erster Offizier, nein Blödsinn, wie Vater und Mutter: Die Jungen hätten zu ihm kommen können, zumal er ja das mit dem Bestrafen nicht so ernst nimmt. Aber Fabi und er können nicht gut miteinander, ist mir ehrlich schleierhaft, warum. Mehr kann ich wirklich und beim besten Willen nicht tun. Ich bin nun mal so wie ich bin, das kann ich nicht ändern.”
“Jetzt haben wir jedenfalls den Salat. Ich bin ehrlich froh, dass wenigstens Elias Dich gefunden hat.”
Das Zittern in Meister Niklas Händen hatte beinahe aufgehört. Felix setzte sich wieder neben ihn. Draußen waren schon die Vorboten des Tages am Himmel zu sehen. Schließlich wurde Meister Niklas wieder gerufen. Wortlos packte er die ungeöffnete Flasche in den Rucksack und ging. Als er wiederkam, sagte er:
“Fabi lebt — noch. Ich habe mir gerade ordentlich was anhören dürfen, warum wir so spät hier waren. Aber natürlich hat der Arzt Sorge, dass er ihm noch wegstirbt. Da wäre ich auch grantig.”
Dann, mit einem Blick auf den Morgenhimmel:
“Mach, dass Du wegkommst, Du kommst zu spät zur Arbeit.”
Meister Niklas griff in den Rucksack und holte die Flasche heraus.
“Pack die in Dein Auto und gib sie mir zurück, wenn ich mit Fabi wieder nach Hause komme.”
Felix nahm die Flasche entgegen und sagte:
“Das mit dem Cognac bleibt unter uns, Meister Niklas.”
Niklas musste gegen seinen Willen lächeln.
“Hau schon ab, Du Unikum.”
“Felix…? Danke…”
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